Guten Abend.
Es scheint, dass es manche Schwierigkeiten gibt, die Messergebnisse (und deren Interpretation) sinnvoll in die Praxis umzusetzen und sich Fragen auftun wie beispielsweise „kann ich mit dem S28MM überhaupt laut hören?“ bzw. „wenn ich mit dem S28MM laut höre, klingt er dann wegen der K2-Überhöhung bei 5,5kHz unangenehm?“ und ähnliches.
Deshalb nehme ich mir mal die Zeit, Grundlegendes aus der Lautsprecherentwicklung & Messtechnik im direkten Bezug auf die praktische Anwendung im Fahrzeug zu erläutern; Alternativ könnten wir noch mal einen Workshop wie am 10. Oktober machen, bei dem es sich dann speziell um solche Themen dreht. Deshalb verlassen wir jetzt mal das Theoretiker-Biotop:
Wie erwähnt sind die häufigsten Fragen diejenigen, welche sich um die praktische Anwendung des S28MM mit seinem Wirkungsgrad dreht und welche klanglichen Konsequenzen ein erhöhter K2 bei hoher Belastung mit sich bringt. Kommen wir zu den Messungen. Um Messungen zu interpretieren hilft es, diese als erstes zu analysieren. Kam hier ein bisschen kurz und liegt evtl. daran, dass viele die Messungen der Car&Hifi vielleicht gar nicht vorliegen haben und aus geschriebenen Beiträgen interpretieren.
Naja, vielleicht irre ich mich, aber es fiel (für mich überraschend) ein Umstand niemandem auf: Der einzige HT mit herkömmlichem Ferrofluid (der Carpower) wies als einziger die Besonderheit auf, bei der lauten Messung mit 96dB in der Spitze weniger K2 zu produzieren als in der leiseren 90dB-Messung . Zitat zu diesem Verhalten: „Oberhalb von 2kHz ist der kleine auch mit Gewalt nicht zum Klirren zu bringen,…“. Diesen Umstand sollte man sich für einen späteren Moment dieses Beitrages im Gedächtnis bewahren. Die übrigen Testkandidaten verfügten über kein Ferrofluid im Luftspalt, oder wie im Falle des Scan Speak, extrem dünnflüssiges mit geringerer Dämpfung.
Starten wir mal mit der Messwertanalyse. Die K3-Messung („böser Klirr“) lassen wir jetzt mal außen vor, sie war top. Aus dem Grund beginne ich mit dem K2-Klirr („guter Klirr“, siehe Erläuterungen zum Klirr auf Seite 58 oben in der Car&Hifi) des S28MM:
Vergleicht man die K2-Messung mit 90dB Pegel gegen die Messung mit 96dB fällt auf, dass der um 4,7kHz schmalbandig erhöhte K2 der 96dB Messung, in der 90dB-Messung völlig fehlt. In der Messung mit 90dB markiert dagegen eine nur leicht erhöhte Spitze K2 um 6,5kHz die klirrstärkste Stelle, welche, ähnlich wie auch der gesamte K3-Klirr, in der lauten 96dB-Messung vom hohen Pegel völlig unbeeinflusst blieb. Diese kleine Spitze wird sogar von der größeren, schmalbandigen Erhöhung um 4,7kHz geschluckt.
Als Erklärung wurde von einem User mit hohem Bezug zur Physik (aber weniger zu ihrer Auswirkung auf den Klang) das typische Verhalten von Klirr in seiner Funktion der Auslenkung als Erklärung angeführt und die zugeführte Energie als Ursache ausgeschlossen. Man muss dazu wissen, dass dieser „hubspezifische Klirr“ des Antriebssystems sich auch dort im Messbild zeigt, wo wirklich Hub entsteht: Tieffrequent. Dort liegt der K2 aber im absolut üblichen Rahmen, diese Erklärung liegt hier also fern; speziell auch noch zusätzlich, was das Ausschließen der Leistung (=Energie) angeht. Also woher kommt der schmalbandig erhöhte K2 der 96dB-Messung, da er ja eindeutig pegelabhängig ist?
Da wir den S28MM komplett selbst entworfen, in vielen verschiedenen Versionen getestet und natürlich auch gehört und gemessen haben, ist uns diese Erhöhung bei hohem Pegel natürlich nicht unbekannt. Wir haben sogar eine Version getestet, bei der diese K2-Erhöhung selbst unter noch höherem Pegel nur im Ansatz auftrat und sehr gering bleibt. Diese Version ist fast absolut baugleich zu der in Car&Hifi gemessenen. Der einzige Unterschied: Sie hat gewöhnliches Ferrofluid im Luftspalt. Der erhöhte, schmalbandig auftretende K2 um 4,7kHz entsteht also offenbar, weil für hohen Pegel mehr Leistung (=Energie) erforderlich ist. Mehr Leistung geht einher mit einer höheren thermischen Belastung. Ferrofluid kühlt und kann den K2 messtechnisch zum Teil erheblich dämpfen. Hier hängt also dieses K2-Phänomen mit dem Wirkungsgrad des S28MM zusammen. Warum also kein Ferrofluid benutzen und spitzen K2-Klirrwerte kassieren? Weil erstens Ferrofluid hörbar Feindynamik und Auflösung nimmt und es zweitens hier nicht wirklich nötig ist, wie wir später bei dem Messbeispiel im Auto sehen werden.
Diese Erkenntnisse über notwendige Leistung und Klirr ist eine wunderbare Überleitung zur Frage „Reicht also der Wirkungsgrad des S28MM für die Anwendung im Auto nicht aus?“. Doch, er reicht. Sogar für passive Beschaltung, was diejenigen nicht wundern dürfte, die wissen, wie sehr ich die unglaubliche Abstimmungsvielfalt der passiven Beschaltung speziell im Mittel- und Hochtonbereich schätze und anwende. Der Wirkungsgrad lag am Entwicklungsanfang des Hochtöners sogar für den Einsatzzweck im Auto (auf den er ausschließlich entwickelt wurde, nicht für Selbstbau) anfangs auf einem Niveau, dass wir ihn zu Gunsten einer noch tieferen Einsatzfrequenz und Bandbreite bis zur aktuellen Serienversion um etwa 4dB reduziert hatten. Wer die Frequenzgangmessung der C&H mal mit unseren Messungen am Anfang des Beitrages vergleicht, dem wird diese Erweiterung der Bandbreite zu tiefen Frequenzen hin auffallen. Der ältere Serienvorgänger namens S28II war sogar um 6dB wirkungsgradstärker als der aktuelle Serien S28MM.
Stellt sich dem Leser hier die Frage: „War es eine vertretbare Entscheidung, Wirkungsgrad für Bandbreite zu opfern?“. Die Antwort: Ja. Denn er ist für die typische Anwendung im Auto immer noch fast zu gut motorisiert.
Um euch das zu dokumentieren, haben wir am Freitagabend mal mittels eines Golf 4 ein paar Messungen im Fahrzeug unter Einbaubedingungen durchgeführt.
Das Setup:
Ein aktiv betriebenes 2-Wegesystem, bestehend aus zwei S28MM wie aus der C&H, in der A-Säule eingelassen und ausgerichtet auf den Fahrer; des Weiteren ein Paar Audio System EX165Phase (der 165er aus dem HX-Phasesystem), verbaut in den OEM-Plätzen der Golftüren. Verstärker am System war eine Mosconi AS100.4. Angesteuert wurde diese über ein Alpine CDA-9886R mit einem PXA-H100 Prozessor. Alle Filtermöglichkeiten an dem Verstärker waren deaktiviert, alles an X-Overfunktionen und Pegeleinstellungen wurde ausschließlich am PXA-H100 vorgenommen. Die Kanäle 1&2 (Hochtöner) sowie 3&4 (Tieftöner) wurden an den Empfindlichkeitsreglern der Mosconi genau auf gleiche Ausgangsspannung justiert.
Zuerst wurde die Laufzeitkorrektur eingestellt, danach die Filter für die Lautsprecher im Prozessor festgelegt. Eingestellt wurde für beide S28MM eine Trennfrequenz von 1000Hz, Flankensteilheit 18dB/Oct. Von den EX165Phase wurde der linke bei 1000Hz mit 18dB/Oct abgetrennt, der rechte bei 800Hz mit 18dB/Oct, bedingt durch den flacheren, eher axialen Abstrahlwinkel des rechten Tieftöners zum Fahrersitz, was hochfrequenteren Mitteltonpegel von rechts brachte und über die tiefere Trennung kompensiert wurde. Die Pegelanpassung der Ausgänge des Prozessors blieben auf 0dB auf allen Kanälen, der Lautstärkeregler des Alpineradios blieb in seiner Einstellung unberührt bei allen Messungen. EQ wurde verwendet mit -2dB bei 1,2Khz bei einer Q1-Bandbreite, um eine leichte Überhöhung der S28MM durch ihren Einbauort zu kompensieren. Mehr wurde nicht equalized. Gemessen wurde auf dem Fahrersitz.
Die erste Messung wurde nur mit den EX165Phase Tieftönern durchgeführt:
Die EX165Phase stehen exemplarisch für leistungsfähige 165er mit normalem Wirkungsgrad. Kann man leicht vergleichen, da diese wie auch die Versionen mit Dustcap beide schon in der Autohifi getestet und gemessen wurde. Der Wirkungsgrad dieser 165er liegt so um 85-86dB 2V/1m und ist somit für 165er klassenüblich (die liegen regelmäßig zwischen 84dB und 87dB, je nach Hersteller), wie man an anderen Testmessungen aus der Presse vergleichen kann. Der Gesamtpegel wurde so eingestellt, dass die als Referenz herhaltenden EX165Phase im von der Beschaltung (X-Over) nicht berührten Frequenzbereich (also im Bass) ca. 90dB an der Fahrerposition erreichten.
Danach wurden die S28MM mit unveränderter Pegeleinstellung gemessen:
Man erkennt, dass die S28MM fast genauso laut sind wie die 165er Tieftöner. Und das trotz der akustischen „Unterstützung“ der 165er im Bass durch die typische Akustik des Fahrgastraumes, was einige +dB an Pegel bringt.
Zusammen ergab sich folgender Summenfrequenzgang:
Das hier sieht passabel für die Vorführwand aus, ist aber im Auto deutlich zu hell klingend. Und ist fern des für Autohifi-Zwecke dienlichen Frequenzverlaufs, den ich euch hier sicher nicht weiter erläutern muss, er steht in einschlägigen Artikeln und in der Fachpresse erläutert.
Wir haben dann am Prozessor in der X-Over-Einstellung der S28MM den Pegel soweit reduziert, bis wir den Auto-Hifi-tauglichen Frequenzgang erhielten:
Dazu war es notwendig, die Ausgänge der S28MM im Prozessor auf -7dB einzustellen. Wir hatten also im konkreten Fall mit den S28MM einen Pegelüberschuss von 7dB am Fahrersitz, bei gleicher Betriebsspannung an allen Chassi. Ich möchte anhand der verlinkten Tabelle noch kurz für die Mathematik-faulen in Erinnerung rufen, in welchem Verhältnis dB-SPL und Leistung steht:
http://www.sengpielaudio.com/dB-Tabelle.htm Im Link in die mittlere Spalte („dB“) schauen, beim Wert 7dB. In dieser Reihe jetzt einen Blick nach links riskieren…
Ich muss also die Leistung am S28MM wegen seines höheren Wirkungsgrades auf dem Fahrersitz trotzdem immer noch auf einen Bruchteil der vorherigen Ausgangsleistung senken, damit ich einen brauchbaren Frequenzgang in Verbindung mit einem durchschnittlichen 165er bekomme. Bei solch geringer, benötigter Spannung ist der „leistungsabhängige“ K2 (egal welche klangliche Bedeutung oder Bedeutungslosigkeit man ihm zuschreibt) beim S28MM nur von zweifelhafter Auswirkung. In Kombination mit dem S28MM werden 90% der 165er Tieftöner am Markt bei klanglich sinnvoll ausgelegter Hochpassfilterung dieser 165er, wegen ihres „Wirkungsgrad-Handicaps“ von ~7dB im Auto genauso schnell Klirr produzieren. Und das ist dann hoffentlich nur unproblematischer, „guter“ K2-Klirr im Bass.
Die Entscheidung zum Verzicht auf Wirkungsgrad im Verhältnis zum Gewinn an mehr Band, war unter den realen Pegelbedingungen im Auto (auf die bisher nur Soundtrailer und shattered_dream wirklich eingingen- sicherlich geprägt durch eigene praktische Erfahrung) für uns somit eine leichte Entscheidung.
Grundsätzlich sollte man bei der Analyse der Messungen (so sie denn stattfindet) also beachten: Es ist sinnvoll, bei Messvergleichen den Einsatzzweck des Lautsprechers zu beachten. Der S28MM ist konstruiert, von uns entworfen und empfohlen für die Montage als Teil des Frontsystems des Autos, um dort Maßstäbe in Sachen Breitbandigkeit bei sehr gutem Klang zu setzen. Er ist entworfen und gebaut, um dort genossen zu werden. Auch gerne mit hohem oder sehr hohem Abhörpegel.
Bei den Hörvergleichen während der Entwicklung des S28MM hatte sich deutlich gezeigt: Der rekordverdächtig niedrige K3 des jetzigen S28MM war zu anderen, alternativen Testversionen des S28MM, welche deutlich weniger K2 aber etwas mehr (wenn auch immer noch sehr wenig) K3 aufwiesen, immer als der klanglich bessere, sogar bei hohem Pegel „unlästigere“ Hochtöner mit mehr Volumen beschrieben worden. Sowohl von Laien als auch von erfahrenen Hörern, die wir zu Klangvergleichen herangezogen hatten.
Die klangliche Bewertung von K2 (so der K2 denn überhaupt nennenswert auftritt, siehe reale Pegelverhältnisse oben) ist in der Fachwelt eher unstrittig; die Entwickler bei Scan-Speak sehen das mit dem K2 sicher ähnlich, bewerten sie bei ihrem D3004 doch eine quasi gleich große Klirrspitze des K2 bei ca. 10kHz von über 2% in der 96dB-Messung als ähnlich unkritisch wie wir und legen ihr Hauptaugenmerk offensichtlich lieber auf niedrigen K3 und vor allem Band. Vermutlich mit Grund. Erwähnter Scan-Speak verdankt nicht gerade einem Ruf, ein übel klingender Hochtöner zu sein, seine äußerst hohe, internationale Beliebtheit als SQ-Wettbewerbshochtöner.
Falls jedoch jemand einen S28MM möchte, den er in der Praxis um -11dB absenken muss, ist die Anfertigung einer solchen Version mit 4dB höherem Wirkungsgrad auf Wunsch als Einzelstücke auch problemlos möglich. Diese Konstruktion besteht wie erwähnt schon, die Bautiefe würde dann um ca. 1mm zunehmen. Auch eine Version mit Ferrofluid ist auf Wunsch möglich, auch in Kombination mit der wirkungsgradstärkeren Anfertigung. Unsere Wege sind kurz und wir sind sehr flexibel: Wir sind der Hersteller. Ich würde jedoch empfehlen, die Regel Nr.1 zuerst zu befolgen: Hört euch den S28MM mal so an, wie er ist. Er gehört zu den Besten und breitbandigsten für`s Auto und ist tiefer einsetzbar als man denkt.