Hier mal ein informativer Text von Elektronik-info.de:
Wieviel Watt braucht der Mensch?
Eine oft gestellte Frage. Die Antwort wird nicht jedem gefallen, denn trotz der allgemein üblichen Watteritis wird der, der keinen schalldichten Bunker besitzt, in dem man im Dauerversuch den Beton auf Rißbildung bei hohen Schalldrücken untersuchen kann, bei Lautsprechern mit einigermaßen akzeptablem Wirkungsgrad mit ein- bis maximal niedrigen zweistelligen Wattzahlen locker auskommen. Dies ist viel weniger, als der kleinste käufliche Verstärker bietet. Eine vor vielen Jahren bei mir zu Hause durchgeführte Messung ergab, daß lediglich 3 (in Worten: drei!) lächerliche Watt erforderlich waren, damit die Fensterscheiben bei bestimmten Frequenzen eifrig mitklirrten, die Schrankwand heftig mitvibrierte, und die Zimmertür im Takt der Musik sich unter klackenden Geräuschen im Schloß bewegte! Um noch eine reale Messung zu bemühen: Bei nach meinem Geschmack "Zimmerlaustärke", bei der man sich schon nicht mehr gut unterhalten kann, liefert der Verstärker schlappe 0,005 W, also 5 mW (5 tausendstel Watt) pro Kanal.
Für den Normalhörer, der nur ab und zu seine Nachbarn ärgern will, dürften 2x20 W Dauer-Sinusleistung locker ausreichen, auch wenn es solche Verstärker kaum noch gibt. Und lassen Sie sich nicht vom Verkäufer für dumm verkaufen: Auch die immer wieder gern angeführten Impulsspitzen brauchen keine endlose Leistung. Denn selbst bei der anspruchsvollsten Klangquelle, dem CD-Player, der mit gut 90 dB den größten Dynamikumfang besitzt, gibt es ein oberes Limit, das von der Klangquelle nicht überschritten werden kann. Sie können zudem davon ausgehen, daß CDs heutzutage bis zum Limit ausgesteuert sind, nach oben hin also schlicht kein großer Spielraum bleibt.
Watt sind nicht Watt
Da sich ein Verstärker mit vielen Watt immer besser verkauft als ein leistungsschwacher, protzen Hersteller gerne mit großen Zahlen. Bedauerlicherweise wird vor allem bei sehr preisgünstigen Verstärkern gerne durch Tricks nachgeholfen, um auch bei einem von den Zahlen her schwachbrüstigen aber objektiv gesehen absolut ausreichenden Verstärker die beliebten großen Zahlen auf dem Papier zu erreichen.
Wenn Sie die elektrische Leistung verschiedener Verstärker miteinander vergleichen wollen, sollten Sie keine Äpfel mit Birnen vergleichen. Aussagekräftig ist im wesentlichen nur die sogenannte Sinus-Dauerleistung nach der DIN-HiFi-Norm. Diese Norm ist zwar wegen ihrer nach heutigem Stand lächerlich geringen Voraussetzungen, ab wann eine Anlage sich HiFi-Anlage nennen darf, bei HiFi-Freunden ziemlich verpönt, jedoch ist hierin auch geregelt, wie die Leistung ermittelt wird. Nach dieser Norm muß ein Verstärker für die Dauer von 10 Minuten die angegebene Leistung bei einem vorgegebenen maximal zulässigem Klirrfaktor abgeben können.
Noch einigermaßen sinnvoll ist (immer neben der Sinus-Dauerleistung!) die Angabe der sogenannten Musikleistung. Damit ist gemeint, wieviel Watt der Verstärker bei kurzen Impulsspitzen abgeben kann. Der Unterschied zwischen Sinus- und Musikleistung rührt meistens daher, daß die Spannungsversorgung des Leistungsverstärkers fast nie stabilisiert ist. Dadurch steht bei relativ leiser Musik eine etwas höhere Betriebsspannung zur Verfügung als bei starker Belastung. Bei dann auftretenden plötzlichen Impulsspitzen steht dadurch für kurze Zeit eine höhere Abgabeleistung zur Verfügung - solange bis die Betriebsspannung unter der Belastung auf den Nennwert zurückgegangen ist. Vergleichen kann man dieses Verhalten sehr gut mit einer Bohrmaschine: Ohne Belastung ist die Drehzahl am höchsten. Für einen kurzen Moment bleibt sie auch unter Last relativ hoch, bevor sie bei anhaltender Belastung in Sekundenbruchteilen einen niedrigeren Wert annimmt. Im nachfolgenden Beispiel ist dargestellt, wie Marketing-Experten Verstärkerleistungen in der Praxis schönrechnen.
Annahme: Der Verstärker besitze eine Dauer-Sinusabgabeleistung (Effektivwert) von 50 W an eine ohmsche Last von 8 Ω.
Marketing: Vielleicht wurde es ausprobiert, aber meistens nur geschätzt, trotzdem wollen wir annehmen, daß der Verstärker 100 W bei nur einer einzigen Periode eines 100-Hz-Tones, also lediglich 10 tausendstel Sekunden lang, liefern kann. Und schwupps, schon kann man ihn als 100-W-Verstärker anpreisen. Weil aber die Konkurrenz auch nicht schläft, muß man nachlegen, wobei man anfängt, mit den rechnerischen Werten herumzujonglieren, die mit der Realität allerdings nicht das Entfernteste zu tun haben: Wenn der Verstärker statt 8 nur 4 Ω treiben müßte, würde er doppelt soviel Strom und damit auch doppelt soviel Leistung abgeben, auch wenn er das in der Realität vielleicht überhaupt nicht kann. Wenn man ihn jetzt mit "200 W rechnerische Impulsspitzenleistung bei 4 Ω" anpreist, hat man zwar keine vernünftige Angabe gemacht aber noch nicht einmal gelogen.
Sollte das immer noch nicht reichen, machen wir aus dem 50-W-Lautsprecher auch mühelos einen mit 400 W: Wir beziehen die Angabe einfach auf 2 Ω. Bisher sind wir immer von sinusförmigen Signalen ausgegangen. Als letzten Trumpf nehmen wir jetzt als Bewertungsmaßstab ein rechteckförmiges Signal, das bei gleichem Maximalwert einen um ca. Faktor 1,4 höheren Effektivwert besitzt. Damit knacken wir auch die 500-W-Hürde und erreichen virtuell 560 W. Der Verstärker ist immer noch ein 50-W-Verstärker geblieben, aber auf dem Papier sieht es viel freundlicher aus.
Ärger mit Cosinus-Phi
Wenn Sie sich mit elektrotechnischen Grundsätzen ein wenig auskennen, ist Ihnen der Begriff Watt für die Leistung sicher bekannt. Wenig bekannt ist, daß sich beim Wechselstrom die Wirkleistung (also das, was in Lautsprechern Krach macht) nicht einfach gemäß der bekannten und für Gleichstrom korrekten Formel "P gleich U mal I" berechnet. Damit erhält man als Ergebnis nämlich nur die Scheinleistung; wie der Name schon andeutet also nur die Leistung, die scheinbar aber nicht wirklich vorhanden ist. Sie setzt sich aus der Wirkleistung und der Blindleistung zusammen. Zur Berechnung der Wirkleistung muß man den cos(φ), "Cosinus-Phi", berücksichtigen. Der Winkel φ (sprich "Fieh") ist in der Elektrotechnik die übliche Bezeichnung für den Phasenversatz zwischen Spannung und Strom, während der Cosinus eine trigonometrische Funktion ist. Die korrekte Formel für die Berechnung der Wirkleistung lautet daher:
P = U . I . cos(φ)
Was das mit einem Leistungsverstärker zu tun hat? Nun, diese Formel besagt, daß bei einer Phasenverschiebung von 90° zwischen Strom und Spannung, die bei idealen Induktivitäten und Kapazitäten auftritt, keine Wirkleistung abgegeben wird. Lapidar gesprochen macht aber nur Wirkleistung in den Lautsprechern Krach. Lautsprecher verhalten sich je nach Frequenz irgendwo zwischen rein ohmsch (also Phasenversatz Null) und fast rein induktiv (also Phasenversatz 90°). Das Dumme daran ist, daß auch bei nicht vorhandener oder nur geringer Wirkleistung trotzdem sehr hohe Ströme fließen können, und zwar deutlich höhere, als der Impedanzwert der Lautsprecher (meistens 8 oder 4 Ω) vermuten läßt.
Ohne die Sache weiter zu vertiefen, ist es also wichtig, daß ein Leistungsverstärker deutlich höhere Ströme liefern können muß, als es dem ersten Anschein nach Sinn macht. Manche Hersteller werben unter Angabe des Maximalstroms mit dem hohen Stromliefervermögen ihrer Endstufen. Und hier kann man ausnahmsweise einmal von der Theorie her sagen: Je mehr desto besser. Der erforderliche Wert hängt jedoch ganz entscheidend von Ihrem Lautsprecher ab, denn es gibt reichlich unkritische Lautsprecher, die nicht sehr stromhungrig sind, und solche, mit denen man auch ausgewachsene Kraftmeier unter den Endstufen in die Strombegrenzung (=Überlastungsschutz) fahren kann. Welche Lautsprecher hohe Ansprüche an das Stromliefervermögen stellen (es sind nur sehr wenige), können Sie Testberichten in den einschlägigen HiFi-Zeitschriften entnehmen. Bei nicht extrem hoher Lautstärke sind allerdings auch immer absolut gesehen niedrige Ströme erforderlich. Negative Effekte infolge Strombegrenzung werden in der Praxis daher schlimmstenfalls bei maximaler Leistungsabgabe auftreten. Sofern Sie nicht über den erwähnten Bunker verfügen, damit Sie Ihren Verstärker mal richtig zum Schwitzen bringen können, brauchen Sie diesem Punkt keinerlei Beachtung zu schenken.