Puh, nun ist es ja eh zu spät.
Mein persönlicher Gedankengang zum Verstärkerklang:
Um es objektiv zu betrachten: Es muss irgendwelche Faktoren geben, die Unterschiede ausmachen. Ob diese nun in
der Effizienz und Leistungsentfaltung eines Verstärkers liegen, in der Ausstattung begründet sind oder eben in einem
besonders schönen und effektiven Kühlkörper münden, sei dahingestellt. Eigentlich muss es einen Faktor geben, der
auch auf den schlussendlichen Klang wirkt. Ich rede nicht von Störungsfreiheit, von Faktoren, die zB durch das Bordnetz
reingesaut und ggf. herausgefiltert werden (wobei ich hier einen wesentlichen Faktor sehen könnte). Wie groß diese
Unterschiede nun sind? Keine Ahnung. Aber irgendwie sollte sich so etwas bemerkbar machen. Besonders, da wir uns
nicht zu Hause befinden.
Aber: Den Leuten, die von einem störungsfreien Messaufbau, einem fiktiven Blindtest unter Laborbedingungen mit
rein "verstärkenden" Verstärkern sprechen, muss man auf der anderen Seite Recht geben, dass sich eigentlich keine
Unterschiede feststellen lassen dürften. Wenn man nun einen konsequenten Einbau im Fahrzeug, ein fiktives Optimum,
dem man entgegeneifern, es aber wohl nur im absoluten Ausnahmefall auch erreichen kann, spricht, so dürften sich
auch hier die Unterschiede im minimalen Bereich äußern. Zumal: Was wollen wir mit Verstärkern, die bewusst das
Musiksignal verfälschen? Geht es nicht um möglichst originalgetreue Wiedergabe?
Während man auf der einen Seite immer wieder von "gravierenden Unterschieden" in Auflösung, Bühnenstaffelung, Knack
und co liest, kommen auf der anderen Seite sehr oft verblüffte Leute aus blind gehörten Fahrzeugen, in denen sie mit
absolut billigstem Equipment aufgebaute Anlagen gehört haben, welche als kluges Gesamtkonzept prima funktionieren.
Mein Beispiel aus dem Home Bereich:
Mein letztes Projekt habe ich mit meinen beiden Lieblingsverstärkern gegengehört. Ein alter Yamaha "Holz und Alu" Bolide
sowie ein NAD 3020A. Der gravierende Unterschied wollte sich mir nicht offenbaren. Aber dieser MUSS doch eigentlich
da sein, siehe alle Beschreibungen zu "japanisch" und "englisch" klingenden Verstärkern! Klar, hier und da war ein dezentes
"Pling" etwas angenehmer zu lokalisieren, der gezupfte Bass wirkte etwas körperreicher - aber es sind keine Regionen, in
denen ich das so deutlich formulieren würde, wie es manch Redakteur täte...
Beim Lesen einiger Hörberichte fällt auf, dass vielen Menschen eine gewisse Freude an Formulierungen zugesprochen werden
kann, man könnte meinen, einer wolle den anderen übertrumpfen, ein Autorenwettbewerb und die blumigste Umschreibung.
Das der gemeine Anwender dadurch über die Jahre beeinflusst wird, selber auf diese Formulierungen zurückgreift, ist ganz
normal, so wird alles immer mehr von dem Verständnis des Lesers abhängig. Siehe Moriartys Signatur.
Was passiert in den Köpfen? Eine mögliche Erklärung von vielen:
Dadurch wird IMHO die Erwartungshaltung geschürt. "Ich muss doch auch so einen Unterschied hören", sagen sich wohl
einige. "Dann stimmen die Einstellungen nicht", sagen einige selbst öffentlich. Was machen sie? Sie verändern die
Einstellungen. Und auf einmal offenbaren sich Welten. Klar, denn jede Endstufe ist ja anders, jede klingt anders, so
muss auch jede Stufe hochindividuell in das System eingebracht werden, neu eingemessen und eingepegelt werden.
Bei der Denkweise ist das ganz logisch.
Und machen wir uns nichts vor: Eine X4 ist ein Objekt der Begierde. Ob die fette Mc oder der riesige Amiriegel, der zukünftig
den Sub versorgt: Es sind schöne Stücke. Da ist Vorfreude vorhanden! Da spielen Emotionen eine Rolle. Es wird ein
Wunder erwartet. M. Schumacher sagte einmal, in der letzten Runde hört man jedes Geräusch, die Sinne sind angespannt,
jede Bodenwelle ist ein Achsbruch, jedes eigentlich bekannte hüsteln des Motors ist eine kapitaler Schaden...
Das Gespenst im Keller lässt sich auf erhöhten Alarmzustand des Menschen im unbekannten Dunkel zurückführen, es gibt
mehr Täuschungen, als man aufzählen kann. Wer guten Sex erwartet, hat manchmal gar grausamen, manchmal gar
wundervollen. Ich will jetzt nicht in sound'sche Gefilde vordringen, aber man denke mal darüber nach, mit welcher
Erwartung man sich die neue DualMono anhört und wie wichtig der letzte Höreindruck und der vorher genutze Amp
ist, wie bewusst schlampig manch ein Übergangsamp integriert wird und wieviel Liebe man in den Ausbau mit dem
jahrelangen Objekt der Begierde steckt.
Fazit? Fazit!
So komme ich für mich zu dem Schluss, dass es sicherlich gewisse Unterschiede im Fahrzeug gibt, die für hochwertiges
Equipment sprechen, eine gewisse, problemlos bereitgestellte, Leistungsreserve, eine Unanfälligkeit gegen Störfaktoren
und sicherlich einige andere Faktoren sind in höheren Preisregionen bestimmt eher zu finden, als in der absoluten
Einsteigerklasse. Ich habe oft erlebt, dass Leute mit gewissen Stufen ein mieses Rauschen, fiepen oder sonstiges hatten,
das Stufen in einem Auto super funktioniert haben und in anderen, markentechnisch ab und an gar identischen Fahrzeugen
einfach nicht wollten. (Da gibt es durchaus sehr prominente Beispiele!) Das sich solche "Probleme" auch im Klang bemerkbar
machen können, lässt sich auf Basis meines technischen Sachverstands nicht ausschließen.
Als Ergebnis meiner Überlegungen ergeben sich also folgende Punkte:
-Einen grundlegenden, deutlich hörbaren und jederzeit differenzierbaren Verstärkerklang muss ich aufgrund meiner
Erfahrungen verneinen.
- Gewisse Unterschiede sind jedoch durchaus vorhanden, wie präsent diese sind, hängt oft von der persönlichen Erwartung,
Möglichkeit zur objektiven Ausdrucksweise und dem objektiven Lesen anderer Berichte ab
Konsequenz für den Verstärkerkauf:
- im Fahrzeug kann vieles prima funktionieren, Erfahrungsgemäß steigt die Qualität mit dem Preis. Aber auch ein preiswerter
Amp mag prima im eigenen Fahrzeug funktionieren, es kommt auf Einbau, Tauschbereitschaft, Experimentierfreude oder
Fähigkeit im Kombinieren an
Um es zum Schluss nochmal zu betonen:
Ich möchte niemanden auf den Schlips treten, der Verstärker, Kabel o.ä. direkt als absolut maßgeblichen Faktor für den
Klang eines Systems verantwortlich macht. Ich selber liebe hochwertiges Equipment, liebe es, tolle Kabel anzufingern,
einen massiven Drehregler zu bewegen, 30Kg Verstärker zu stemmen und so weiter... Allein mir fehlt das Geld. Tragisch,
aber so wird man kritisch, versucht auch preiswert zu guten Ergebnissen zu kommen und zu experimentieren. Ich denke,
man könnte von einem gesunden Realismus sprechen, einer unlackierten, fahrenden Modelleisenbahn ohne große Deko
im Vergleich zum detaillierten Lebenswerk eines passionierten Modellbauers: Technisch funktionieren beide, erfüllen
ihren Zweck. Keiner bezweifelt, dass beide Bahnen ihre Besitzer gleichermaßen erfreuen und funktionieren, nur wird
die zweite Person eben einen gewaltigen Unterschied bemerken, während die erste den anderen bewundert, evtl beneidet,
aber sicherlich nicht akzeptieren mag, dass seine Eisenbahn schlechter funktioniert. Denn dem ist nicht so. (Ja, ausbaufähig,
aber nicht perfekt... wollte nur noch etwas nettes zum Schluss schreiben).
So, weiter im Thread!